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Biografie

Nora Idsikowskaja

Nach dem Beginn des Krieges des faschistischen Deutschlands gegen Polen, 1939, begann der Einsatz von Kriegsgefangenen in der deutschen Kriegswirtschaft. Neben ihnen wurden in den besetzten Ländern Menschen massenhaft verschleppt und zur Zwangsarbeit in der Industrie, in Kleinbetrieben, in der Landwirtschaft und in Privathaushalten „verpflichtet“. 1944 waren es im gesamten Reichsgebiet mehr als 7 Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. In Mainz waren es nahezu 4000 Menschen, die in Zwangsarbeitslagern unter meist menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht und zur Arbeit gezwungen wurden. Das größte Zwangsarbeitslager in Mainz war in der M.A.N.-Fabrik in Mainz-Gustavsburg mit 1067 Menschen aus vielen Ländern.

Eine von Ihnen war Nora Idsikowskaja. Sie wurde 1922 in Sibirien geboren und wuchs in einer jüdischen Familie zeitweise auf der Krim auf. Ihr polnischer Vater war Offizier in der Roten Armee, wo auch ihre Mutter als Ärztin beschäftigt war. Nora Idsikowskaja studierte am Pädagogischen Technikum, erhielt ihr Diplom und wurde Lehrerin.

„Als die Faschisten schon auf der Krim waren, hingen überall rote Wandzeitungen mit Verboten, die für die Juden galten, und es gab die Anordnung, dass Juden einen Stern tragen mussten.“ So berichtete Nora Idsikowskaja in einem 1994 geführten Interview. Am 15. Mai 1942 wurde sie von den faschistischen Besatzern verhaftet, zu einem Sammelpunkt verbracht und in einem Viehwagon, fast ohne Verpflegung mit hunderten anderen sowjetischen Menschen zunächst nach Frankfurt an der Oder verbracht. Über ihren weiteren Transport berichtet sie: „Einmal kamen wir zu einem Lager mit sowjetischen Kriegsgefangenen. Das war furchtbar, ich habe das selbst gesehen. Die Menschen waren nur noch Haut und Knochen. Das Lager war in Kelsterbach, in der Nähe von Frankfurt am Main.“ Nora Idsikowskaja wurde in ein Zivillager in Mainz verbracht und zur Arbeit in der M.A.N.-Fabrik gezwungen. „Die ersten zwei, drei Tage habe ich das gemacht, aber dann habe ich mir gesagt: Dies ist ein Rüstungsbetrieb. Ich werde hier nicht arbeiten. … Und ich werde nicht mit den Faschisten gegen meine Heimat zusammenarbeiten.“

Nora Idsikowskaja gelang mit einigen Freundinnen zunächst die Flucht, wurde bei einer Bahnhofskontrolle erneut verhaftet und im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück inhaftiert. Hier wurde sie zur Zwangsarbeit, u.a. bei der Firma Siemens, eingesetzt. Wegen Sabotageaktionen in der dortigen Rüstungsproduktion wurde sie schwer misshandelt. Im Frühjahr 1945 wurden viele Häftlinge zur Räumung des Lagers auf den Todesmarsch gezwungen. Völlig entkräftet und halb verhungert erlebte Nora Idsikowskaja die Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 1945.